Zwischen Biobäcker und Tiefkühlpizza

Wenn ich mich richtig erinnere, hat vor etlichen Jahren alles angefangen mit einer kleinen Gruppe von Mitmenschen, meist latzhosenbewehrt und auch sonst natürlich aussehend, die man mehr oder weniger verächtlich »Körnerfresser« nannte.

Der Mensch ist, was er isst!

Diese Bezeichnung hatten sie dem Umstand zu verdanken, dass sie sich einer naturbelassenen Ernährung zugewandt hatten. Ihnen war aufgefallen, dass es mit unserem täglich Brot nicht zum Besten stand, wurde doch nicht das ganze Korn mit seinen wertvollen Bestandteilen gebacken, sondern nur der wenig gehaltvolle Mehlkörper. Die ersten Vollkornbäckereien, Bio- und Naturkostläden entstanden, um diesem neuen Trend Rechnung zu tragen. Die Bezeichnung »Vollwerternährung« wurde zu einem allgemein anerkannten Begriff.
Wie haben sich die Zeiten geändert! Heutzutage gilt schon fast als Paria, wer keine Getreidemühle mit Steinmahlwerk sein eigen nennt. Und wer Sprossen mit Leitern in Verbindung bringt und Tofu für eine griechische Insel hält, outet sich als Vollwert-Banause.
Für mich bedeutete das damals, mich durch einen Wust von einschlägiger Literatur zu lesen, entsprechende Kochkurse zu besuchen, um dann meine Familie mit neuen Kochkünsten zu beglücken. Meiner Begeisterung über diese so gänzlich neue Ernährungsweise konnten meine Lieben nicht so sehr folgen, mussten doch fortan Unmengen von Körnern aus dem (selbstgebackenen!) Brot gekaut werden sowie jede Menge Rohkost. Von den fälligen Kosten für diverse Gerätschaften und Bücher will ich hier gar nicht erst sprechen... Auch stellte sich heraus, dass mit dem Haushaltsgeld besser gewirtschaftet werden musste, denn die Preise in den Bioladen waren nicht von Pappe. Was tut man nicht alles für eine gesunde Ernährung, die Körper und Geist gesund hält, denn: Der Mensch ist, was er isst!

Doch damit nicht genug

Wenn man einmal anfängt, sich mit dem Thema Ökologie zu beschäftigen, stellt man schnell fest, dass es nicht damit getan ist, sich nur gesund und vollwertig zu ernähren. Auch die Umwelt will gehegt und gepflegt sein. Doch was heißt eigentlich »Ökologie«? Der Duden klärt uns auf: »Ökologie, die: Lehre von den Beziehungen der Lebewesen zur Umwelt«. Womit wir beim zweiten wichtigen Punkt angelangt sind: Stichwort „Verpackung, Abfallvermeidung, -entsorgung“, getreu dem Motto: »dass wir mit der Welt nicht umgehen dürfen, als ob wir noch eine zweite im Kofferraum haben« (Jane Fonda). Das deutsche Volk mutierte plötzlich zu Weltmeistern im Sammeln und Trennen von Abfall.
Als sich auch dieses Bewusstsein bei mir manifestierte, bekam unser Alltag eine neue Dimension. Ich brauchte plötzlich viel mehr Zeit zum Einkaufen. War ich bisher schon mehr lesend als kaufend durch die Geschäfte gegangen, um akribisch die Lebensmittel auf die richtigen Inhaltsstoffe abzuklopfen, kam nun hinzu zu erkennen, wo überflüssige und umweltschädliche Verpackungen den Genuss der Waren trüben konnten.

Ja gut, ich gebe zu, ich kaufe mittlerweile auch wieder in Supermärkten, aber unter wie vielen Erschwernissen? Seien Sie ehrlich: Wer traut sich etwa, der Verkäuferin an der Wursttheke beharrlich einen Tuppertopf zwecks Verpackung herüberzureichen? Und dann die Diskussionen um das Lebensmittelrecht, das ein solches Vorgehen nur unter bestimmten Bedingungen gestattet, während eine murrend wartende Kundenschlange nur unter Aufbietung allen Selbstbewusstseins zu ignorieren war. Na bitte! Und die genervten Blicke der Kassiererin zu ertragen, weil ich jede Tomate und jeden Apfel einzeln etikettiert hatte, verlangte eine gehörige Portion stoischen Gleichmuts, den ich mir erst in einigen Selbsterfahrungskursen antrainieren musste.
Es hat auch viel Zeit und Nerven gekostet, meine mir nächtelang angelesenen Informationen über die richtige Mülltrennung und -entsorgung meiner Familie angedeihen zu lassen. Nur beharrliches Insistieren half, wenn wieder einmal eine Verbundverpackung in der Papierkiste landete! Auch nahmen wir es gelassen hin, dass Freunde und Nachbarn über unsere Kompostkiste auf dem Balkon die Nase rümpften, war unser dort gezüchtetes Gemüse doch das Größte! Ärgerlich wurde ich nur, wenn unsere Kinder manchmal die Würmer in der Wohnung versteckten, um mich zu erschrecken, oder auf dem Balkontisch ein Würmerwettrennen veranstalteten. Heute gibt es ja - Gott sei Dank - die Biotonne!

Ein Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Heute hat meine damalige Begeisterung der Alltagsrealität »ein Stück weit« Platz gemacht. Für mich als Mutter zweier halbwüchsiger Kinder und als ganztags Berufstätige ist es einfach auch eine Frage der Zeit und des Geldes (und auch teilweise der Bequemlichkeit, wie ich zugeben muss), mich »ökologisch korrekt« zu verhalten. Es ist immer wieder ein Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu vollziehen. Das sieht dann z.B. so aus, dass ich mich frage: Muss ich mein Brot selber backen, kaufe ich mir eine Brotbackmaschine, oder kaufe ich das teure Biobrot? Ich habe inzwischen meine »Skrupel« verloren, auch mal beim »normalen« Bäcker Brot zu kaufen. Ähnlich ist es bei der sonstigen Ernährung. So gerne ich auch Vollkornprodukte und Rohkost esse und um die Prinzipien der Vollwerternährung weiß, verschmähen meine Familie und ich nicht die »Segnungen« der preiswerten, schnell zubereiteten, konventionellen oder gar industriell vorgefertigten Kost. Allein schon wegen der Kinder: Dieser Jubel, wenn es mal wieder Tiefkühlpizza und -pommes gibt... Und ich bin sicher, nur »Hardliner« verzichten auf meinen selbstgebackenen Marmorkuchen und den selbst eingelegten Sauerbraten! Womit wir beim Thema Fleisch wären. Trotz aller Probleme, die die Massentierhaltung mit ihren Folgen für die Umwelt mit sich bringt, bin ich weit davon entfernt, zur Vegetarierin zu konvertieren (auch wenn es sehr gesund wäre), und verfüge auch über keine Patenschaften über ein artgerecht gehaltenes Rind oder Huhn, das ich regelmäßig besuche. Dass ich hin und wieder bei einer namhaften Hamburgerkette einen BigMac zu mir nehmen muss (!), ist zwar ideologisch und ökologisch bedenklich, ich weiß, aber damit muss ich leben.

Eigentlich geht es immer nur um Verzicht

Wie sieht es nun aus mit dem Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen wie Luft, Wasser, Erde und Energie? Nicht zu vergessen ist dabei der Zusammenhang mit den Problemen der so genannten Dritten Welt, der ein globales Denken sowie lokales Handeln erforderlich macht. Ein weites Feld aus ökologischer Sicht, was es da zu beackern gilt und auf das der Verbraucher durch sein Verhalten und seine Kaufentscheidungen mehr oder weniger Einfluss nehmen kann. Die Frage der Zukunft wird u.a. ein nachhaltiges Wirtschaften mit diesen Ressourcen sein, wie uns eine groß angelegte Studie des BUND/Misereor nahe legt, und zwar weltweit.
Das Vertrackte ist nur, dass es im täglichen Leben schwer ist, alles umzusetzen. Ein Dilemma zeigt sich anschaulich am Beispiel Atomkraft. Wer ihren Ausstieg fordert, sollte sich auch Gedanken über Alternativen machen. Den meisten Strom beziehen wir zurzeit nun einmal über Atomkraft. Konsequent wäre es heute schon, auf viele »Stromfresser« zu verzichten. Aber wer hat schon das Format eines Eugen Drewermann, der aus diesem Grunde angeblich keinen Kühlschrank hat?
Eigentlich geht es immer nur um Verzicht: von Geld, von Zeit, von Konsum und Bequemlichkeit. Jeder muss sich fragen, ob und in welchem Maße er dazu bereit ist, beizutragen zu einer zukunftsfähigen, lebenswerten Welt für alle. Die Dringlichkeit belegen die fast täglichen Meldungen über den Zustand unserer Erde, von Brandrodungen, Überdüngungen über das Ozonloch bis hin zu Umweltkatastrophen, Erosionen etc., die allesamt von Menschenhand gemacht sind, um die Konsumbedürfnisse und das Gewinnstreben von Menschen in den Industriestaaten zu befriedigen. Es gilt weiterhin, mit Widersprüchen zu leben, aber auch, sich damit auseinanderzusetzen, selbst wenn es noch ein langer Weg ist, bis wir »so leben, dass alle leben können«, in »Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung«, wie immer wieder angemahnt wird.

Rita Busch